Missio startet die »Aktion saubere Handys«

Die Probleme, mit denen Afrika auch heute noch kämpft, haben viel mit seinem Rohstoffreichtum zu tun. Die lokale Bevölkerung profitiert davon in den seltensten Fällen: Krieg und Armut sind häufige Folgen.

Der hier folgende Zeitungsartikel ist für uns ein Grund mehr, Sie alle aufzufordern, alte Handys nicht einfach wegzuwerfen. Geben Sie sie als Elektroschrott in die Reststoffverwertung. Ein Handy enthält nicht nur Coltan (auch: Koltan), sondern auch mehr Gold als in Golderz vorhanden ist!

Aus den Aachener Nachrichten, 07.06.2012
Von Amien Idries

Nichts an der Arbeit von Thérèse Mema deutet daraufhin, dass sie stark von moderner Telekommunikation beeinflusst wird. Die 30-jährige Kongolesin betreut im Auftrag des katholischen Büros für Gerechtigkeit und Frieden Familien in Not. Dass diese Familien hier in der kongolesischen Provinz Süd-Kivu in Not sind, hat auch damit zu tun, dass weltweit Milliarden Handys verkauft werden.
In denen steckt Tantal, ein seltenes extrem hitzeresistentes Metall, das überall dort eingesetzt wird, wo auf engstem Raum viel Strom fließen muss. Dieses Tantal wiederum wird aus dem Erz Coltan gewonnen, dessen Hauptlagerstätten in Zentralafrika liegen. „Es gibt im Kongo einen engen Zusammenhang zwischen der illegalen Ausbeutung von Ressourcen wie Gold und Coltan und dem Krieg“, erklärt Mema.
Die Demokratische Republik Kongo ist nämlich nicht nur ein sehr rohstoffreiches Land, sondern auch eines, das keinen Mangel an kriegerischen Auseinandersetzungen hat. Die Region am Kivu-See liegt in unmittelbarer Nähe zu Ruanda und ist seit Mitte der 90er Jahre Schauplatz eines grenzüberschreitenden Krieges mit vielen Beteiligten: Ruandische Rebellen, regionale Milizen und kongolesische Soldaten kämpfen gegeneinander und gegen die Zivilbevölkerung, finanziert auch durch den Verkauf von Coltan.
„Die Milizen und Rebellen attackieren die Dörfer und nehmen Geiseln. Männer werden umgebracht oder gezwungen, unter sklavenähnlichen Bedingungen Coltan abzubauen. Frauen werden sexuell missbraucht“, schildert Mema. Nach Schätzungen werden im Kongo pro Stunde etwa 50 Frauen vergewaltigt. Mema arbeitet in einem von 16 Traumazentren, die seit 2009 in Süd-Kivu in Kooperation mit dem Aachener Hilfswerk Missio eingerichtet wurden. Dort wird Frauen geholfen.
Frustrierend ist für Mema, dass der „Nachschub“ für die Traumazentren nicht abreißt, weil der Teufelskreis der Blutmineralien – so nennen sie hier Coltan und Gold – nicht gestoppt wird. Deshalb setzt Missio nun mit der „Aktion saubere Handys“ bei der Nachfrage-Seite des Coltan-Handels an. Das Hilfswerk organisiert eine Unterschriftenkampagne, die Handyhersteller dazu auffordert, von ihren Lieferanten einen unabhängig kontrollierten Nachweis zu verlangen, dass vom Handel Coltan keine Milizen im Kongo profitieren.
Zwar gebe es bei manchen Herstellern eine Sensibilisierung für das Thema, erläutert Jörg Nowak von Missio. Doch sei der Druck noch zu gering. Hersteller reagieren unterschiedlich. Samsung zeigt gar keine Reaktion auf die Anfrage unserer Zeitung. Apple verweist auf eine Selbstverpflichtung und darauf, dass es das erste Unternehmen sei, das die Lieferkette auch für Coltan komplett dokumentiere. Ob zweifelhafter Rohstoff geliefert wurde, erfährt man aus der Dokumentation nicht.
Nokia gibt an, bereits seit 2001 von allen Zulieferern eine Bestätigung zu verlangen, dass kein Konflikt-Tantal verwendet wird. Kontrolle allerdings ist schwierig, was sich an den Zahlen zum Coltan-Handel ablesen lässt. Die gehen weit auseinander. Während viele Statistiken den Weltmarktanteil des kongolesischen Coltans mit wenigen Prozent angeben, gehen einige Experten davon aus, dass 2009 rund 500 Tonnen Tantal exportiert wurden – ein Drittel der Weltproduktion.
Dies wird sich laut Nowak ohne eine unabhängige Zertifizierung nicht ändern: „Der entscheidende Faktor ist das Geld. Coltan aus illegalen Quellen ist einfach preiswerter“, sagt der Missio-Experte. „Ich wünsche mir, dass eine Firma vorangeht und eine unabhängiges Siegel auf den Markt bringt“, sagt Mema. Sie ist überzeugt, dass der Wegfall des Geldes die Rebellen hart treffen würde. Vielleicht ließe sich so der „Nachschub“ für die Traumazentren eindämmen.

www.missio-hilft.de